Mustapha putzt sich heraus
Das Netzwerk der Weinheimer Lern-Praxis-Werkstatt sorgt für Integration in den Arbeitsmarkt – Mustapha Hichem ist ein gutes Beispiel
Volker Weidler spricht nur positiv über seinen Mitarbeiter Mustapha Hichem, in der Stimme des Chefs des großen Weinheimer Reinigungsunternehmens schwingt Wertschätzung und Respekt mit, wenn er über Mustapha spricht. Er sagt Sätze wie: „Hut ab!“ Oder: „Der kann was.“ Man merkt, der Unternehmer will auf seinen Mitarbeiter nicht mehr verzichten.Weidler hätte gerne mehr Menschen vom Schlage des algerischen Familienvaters. Für seine Reinigungsfirma, die viel für Sonder- und Spezialreinigungen gebucht wird, sucht er ständig zwischen 30 und 50 Personen. Und er hat viele Interessenten, fast alle mit Flüchtlings-und Migrationshintergrund. Aber meistens scheitern die Anbahnungen an bürokratischen Hürden und daran, dass sich niemand so richtig um das Arbeitsinteresse der Menschen kümmert, sie an der Hand nimmt.Das ist in Weinheim anders. Dort gibt es verschiedene Einrichtungen und Dienststellen, aber auch etliche ehrenamtlich engagierte Menschen, die sich genau diesem Thema widmen: Integration durch Beschäftigung. Angegliedert ist dies seit über 25 Jahren schon bei der Regionalen Jugendagentur Job Central und besonders für Flüchtlinge bei der Lern-Praxis-Werkstatt, die erste niederschwellige Beschäftigungsangebote anbietet.Mustapha Hichem reiste 2017 mit seiner Frau und zwei kleinen Kindern zunächst mit einem Touristenvisum über Spanien nach Deutschland, wurde schließlich zum Asylbewerber, weil es zunächst eine andere Chance für ihn gab, länger im Land zu bleiben.So kam er in die Flüchtlingsunterkunft in der Heppenheimer Straße. Es war die erste, die von der Stadt im Zuge der Flüchtlingswelle gebaut wurde. Und das war sein Glück. Denn im Umfeld der Gebäude hatte sich eine Gruppe von Bürgern getroffen die helfen wollten; die Motivation war hoch, das Wort Willkommenskultur war in aller Munde. Dann hatte Mustapha Hichem nochmal Glück, denn ein gewisser Alfred Schwab-Niedermaier gehörte zum ehrenamtlichen Integrationsteam, ein pensionierter Techniker und Berufsschullehrer. Menschen in Lohn und Brot zu bringen war schon immer sein Metier.Er hörte sich die Lebensgeschichte Mustaphas an, die einige Besonderheiten hat. „Aber das haben alle“, weiß Ante Rasic, Geschäftsführer von Job Central, „daher sind eine individuelle Einschätzung, Beratung und Integrationsbegleitung auch so wichtig“. Mustapha Hichem war als Jugendlicher Anfang der 90er-Jahre mit seinen Eltern während des Bürgerkriegs in Algerien schon einmal in Weinheim, damals galt er übrigens als Riesen-Fußballtalent, kickte bei den 09-ern. Daher sprach er ordentlich Deutsch, als er 2017 zurückkam. In Algerien wollte er nicht mehr bleiben. „Keine Zukunft für meine Kinder“, sagt er.Zu Job Central gehört die Lern-Praxis-Werkstatt sowie ein Netzwerk von Menschen, die sich vor zehn Jahren der Integration verschrieben haben. Wie Dr. Ditmar Flothmann, früher auf der Führungsebene bei Freudenberg, Kommunalpolitiker und vielfach sozial engagiert. Auch er nahm sich Mustapha an, überzeugt, von dessen Motivation, mit einem festen Arbeitsplatz seine Familie ernähren zu können. Flothmann und Schwab-Niedermaier vermittelten den deutschsprachigen Algerier über die Lern-Praxis-Werkstatt zur Firma Weidler. Volker Weidler nahm den Mann gerne, ermöglichte ihm sogar eine Ausbildung zum Gebäudereiniger. Das ist ein anspruchsvoller Facharbeiter-Beruf; wer ihn ausübt, braucht Kenntnisse in Mathematik und Chemie. Und viel gesunden Menschenverstand.Mustapha Hichem hat seinen Chef und seine Mentoren nicht enttäuscht und die Gesellenprüfung mit der Note 2,1 abgeschlossen. Er ist als gelernte Fachkraft eine feste Stütze im Unternehmen, das auch fest im Industriepark der Firma Freudenberg eingesetzt ist.Weidler und Hichem wissen indessen, dass der Mann aus Algerien eine Ausnahme darstellt, weil er mit Deutschkenntnissen angekommen ist. Erst die B2-Sprachprüfung machte ihn trotzdem für die Behörden ausbildungsfähig. Kein Problem – für ihn. Aber für viele andere. „Das verstehe ich nicht“, schüttelt Arbeitgeber Weidler fragend den Kopf, „warum erschwert man den Zugang zur Arbeit so sehr, die Menschen lernen doch die Sprache bei der Arbeit?“ Im aktuell geltenden System seien Flüchtlinge zum Nichtstun verdammt. Das schade ihnen persönlich, aber auch der Volkswirtschaft des Staates, der ihn aufgenommen hat. Der Unternehmer: „Aus unserer Sicht muss das geändert werden.“ Mustapha Hichem entgegen putzt sich aus seinem Leben heraus, dank der Hilfe des Weinheimer Netzwerks der Lern-Praxis-Werkstatt. Noch wohnt er mit seiner Frau und mittlerweile drei Kindern in der städtischen Flüchtlingsunterkunft am Seeweg, weil er keine andere Wohnung findet, die er bezahlen kann. Aber er verdient sein eigenes Geld, benötigt keine Transferleistungen des Staates – und ist stolz darauf, Steuern zu bezahlen. Die Kinder sprechen perfekt Deutsch, sind gut in der Schule. Ein Ziel hat er jetzt noch, Mustapha Hichem will deutscher Staatsbürger werden. Dann ist er das, was seine algerischen Nachbarn ihn immer genannt haben, nach seiner Rückkehr ins Vaterland: „Le Germain“ – der Germane. Er wäre stolz und glücklich, einer zu sein.
