„Ein Einsatz von enormer Bedeutung“
Weinheim hat einen neuen Träger der Bürgermedaille: Albrecht Lohrbächer. Der Begründer der Partnerschaft mit der israelischen Stadt Ramat Gan und langjährige Vorsitzende des Arbeitskreises Asyl bekam die Medaille aus den Händen von Oberbürgermeister Manuel Just am Sonntagmorgen im Alten Rathaus am Marktplatz verliehen.
Der OB betonte die herausragenden Verdienste des Theologen, früheren Pfarrers und Schuldekans um die Völkerverständigung und beim Kampf gegen Rassismus und Antisemitismus. Die offizielle Beziehung zwischen Weinheim und Ramat Gan besteht in diesem Jahr seit 25 Jahren. Lohrbächer gilt als „Vater“ und Motor dieser Städtepartnerschaft.
Seit 2016 ist er auch Ehrenbürger der israelischen Stadt. Die musikalische Begleitung der Verleihungszeremonie hatte diesmal durchaus eine symbolische Bedeutung. Denn an der Seite von Barbara Pfliegensdörder spielte Aurelia Eich die Querflöte. Die Schülerin gehörte vor einiger Zeit zu den Jugendlichen einer Schülerbegegnung in Ramat Gan. Auch diese Begegnungen hat Lohrbächer im Jahr 1986 mit dem Stadtjugendring Weinheim ins Leben gerufen.
Darauf ging auch OB Just in seiner Laudatio ein. Denn seither haben jährlich je rund 20 Schüler und Schülerinnen aus Weinheim und Ramat Gan die Möglichkeit, an dem Austausch teilzunehmen Just betonte: „Albrecht Lohrbächer ist als Vorsitzender des Freundeskreises Weinheim – Ramat Gan der unermüdlicher Motor der Beziehungen zwischen unseren beiden Städten.“
Gründer des AK Asyl
Der Rathauschef bescheinigte: „Die Verdienste von Albrecht Lohrbächer gehen jedoch weit über die Partnerschaft zwischen Weinheim und Ramat Gan hinaus. Er hat sich die deutsch-israelische Freundschaft zur Lebensaufgabe gemacht und tut alles, um das gegenseitige Verständnis von Christen und Juden zu verbessern.“ Manuel Just schlug aber auch den Bogen zu Aktivitäten Lohrbächers außerhalb der Stadtgrenzen, zum Beispiel für die Alte Synagoge und den Alten Jüdischen Friedhof in Hemsbach.
Im Rahmen der Verleihungsveranstaltung, an der auch die Ehrenbürger Uwe Kleefoot sowie Dr. Hans-Werner und Josefine Hector teilnahmen, ging der Manuel Just aber auch auf die zahlreichen Aktivitäten Lohrbächers im Bereich der Flüchtlingsarbeit ein.
Bereits seit Mitte der 80er-Jahre nimmt Weinheim Flüchtlinge auf, so Just. Und seit dieser Zeit gebe es auch ein Netzwerk, das diese Menschen unterstützt und betreut. Er erinnerte daran, dass 1985 die Pfarrerin Elfi Rentrop und Pfarrer Albrecht Lohrbächer den Arbeitskreis Asyl gegründet haben. Der OB bescheinigte: „Durch ihre Arbeit gibt es in Weinheim eine über Jahrzehnte entwickelte Struktur und Erfahrung, aber auch eine gelebte Empathie, eine echte Willkommenskultur als Grundlage für die Bewältigung künftiger Aufgaben.“
„Judentum hat mit Schmerz zu tun“
Erwartungsgemäß emotional, politisch, aber auch mit einem Verweis auf ambivalente Gfeühle antwortete der neue Bürgermedaillenträger auf die Ehrung. Er definierte den Zeitpunkt in seinem Leben, der ihm die Themen ans Herz legte, die zu seinem Lebenswerk wurden. „Es waren das zunehmende Wissen über die Verfolgung und Vernichtung der Juden sowie die Konfrontation mit deren Folgen. Wer einmal sich mit dieser allumfassenden Katastrophe des Abendlandes beschäftigt, Überlebende getroffen hat oder Nachkommen begegnet ist, kommt nicht mehr davon los“, beschrieb er. Er bekannte aber auch: „Es ist schwierig, in diesen Zeiten gegenüber den Partnern in Ramat Gan, die uns Weinheimern sehr zugetan sind, Solidarität zu vertreten, da hierzulande mehr und mehr die Opfer des 7. Oktober zu Tätern gemacht werden. Ich sehe tatsächlich aktuell die Gefahr, dass das direkt nach dem Pogrom der Hamas in Weinheim gezeigte große Mitgefühl sich verflüchtigen könnte.“
Lohrbächer berichtete aus einer Zeit, in der es eine große Herausforderung war, gegen Rechtsextremis und gegen Antisemitismus aufzustehen – auch in Weinheim. „Wir hatten es zu tun mit Beschimpfungen und anonymen Telefondrohungen, mit Eiern und Tomaten am Haus, wir mussten die Erfahrung von Einsamkeit in einer Gesellschaft machen, die anders fühlt und handelt.“ Sich auf die Themen Juden, Judentum und Israel einzulassen, habe auch mit viel Schmerz zu tun, „so wie seit dem 7. Oktober 2023, wo wir oft hilflos mitansehen mussten und müssen, wie Juden auf den Straßen der Region beschimpft und angegriffen werden“.
„Bestätigung und Stärkung“
Gerade vor diesem Hintergrund empfinde er große Dankbarkeit für die Auszeichnung: „Ihr Beschluss, mir die Bürgermedaille zu verleihen, stellt eine Stärkung aller Bemühungen um die Städtepartnerschaft dar. Ja, sie stellt gerade im Blick auf diese skizzierte Stimmung gegenüber Juden und gegenüber Israel eine kaum zu überschätzende Bestätigung und Stärkung dar“, formulierte er. Besonders OB Manuel Just sprach er explizit Anerkennung und Dank aus.
Differenziert setzte sich Albrecht Lohrbächer mit seinen Aktivitäten für asylsuchende Menschen auseinander. Er stelle sich dazu auch Fragen, „seit viele im muslimischen Raum aufgewachsene Flüchtlinge in Mannheim und Heidelberg ihrem Antisemitismus freien Lauf lassen“. Lohrbächer beschrieb: „Gerade, weil ich intensive Kontakte zu jüdischen Menschen habe, ergibt sich diese Frage unausweichlich. Ich weiß, sie ist heikel, weil sie schnell in pauschale Verurteilung mündet und politisch ausgebeutet wird. Und ich habe über die vielen Jahre in der Asylarbeit genügend Erfahrungen mit positiven Integrationsergebnissen gemacht, und trotzdem wünsche ich mir in der bunten - migrantischen oder heimischen - Stadtgesellschaft mehr Problembewusstsein in Sachen Judenfeindschaft.“ Sein Schlusswort war ein Appell: „Lasst uns weiter für und mit Jüdinnen und Juden, weiter für und mit Ramat Gan und Israel einstehen.“